Stau

Heute morgen, kurz nach Sieben auf der Autobahn. Auf der Gegenfahrbahn steht ein weißer BMW schräg auf der Fahrbahn, am Seitenstreifen, bzw. noch ein gutes Stück weiter in der Böschung steht ein Lastwagen mit Anhänger. Erster Gedanke: Autsch, hoffentlich sind alle Beteiligten unverletzt. Aber es ist kein Rettungswagen weit und breit zu sehen und die Polizei stiefelt ziemlich entspannt an der Unfallstelle herum. Deshalb zweiter Gedanke und schon einige Kilometer weiter beim Blick auf den Megastau: Das müsst ihr positiv sehen, liebe Stausteher: lieber ihr als ich.
Es entspannt ungemein, wenn man selbst einigermaßen zügig seinem Ziel entgegenbrettern kann, während linkerhand die Zeit stillzustehen scheint – und wenn es die Zeit schon nicht tut: die Autos taten es.

Tja, und dann kam die A81 und mit ihr 30 Kilometer Stau. Und ich mittendrin. Da meint man schon alle Flüche im deutschsprachigen Raum zu kennen, aber siehe da: plötzlich fallen einem noch ganz viele neue ein.
Die erste Ausfahrt vor dem Stau hatte ich verpasst, bei der zweiten bin ich raus; genau wie ganz viele andere vor, nach und gleichzeitig mit mir. Auf soviele Fahrzeuge auf einmal ist die schwäbische Prärie aber leider nicht eingestellt. Deshalb war zusätzlich zur Autobahn auch noch auf sämtlichen Nebenstraßen Stau. Super Sache. Dadurch steht man sehr lange in Käffern rum, die man ansonsten nie durchfahren hätte. Man weiß auch sehr schnell, warum man bisher nie auf den Gedanken kam, dieser Einöde einen Besuch abzustatten.

Irgendwann hat man auch das letzte Kaff erfolgreich hinter sich gelassen und in der Ferne zeichnet sich so etwas ähnliches wie Zivilisation ab. Es folgt innerliches Frohlocken und das gute Gefühl dem Ziel ein Stückchen näher gekommen zu sein. Dann liest man das Ortsschild: Bietigheim-Bissingen. Die Brutstätte des Teufels. Plötzlich kommt einem die immer höhere Plakatierungsdichte des Pur-Jubiläumskonzerts (am Viadukt) in den Sinn. Oh Gott. Mittendrin im Abenteuerland…glücklicherweise nur im Randbezirk und am Kern dieses unsäglichen Ortes vorbei.

Der Rest der Reise verbringt man hinter dem Lastwagen eines Tiefkühltortenherstellers und dem Opel Irgendwas einer frustrierten Mittfünfzigerin. Wenn man dann um kurz vor Zehn die heiligen Hallen der Fabrik betritt, verspürt man tatsächlich so etwas wie Erleichterung. Dieses Gefühl hält ungefähr 2,4 Sekunden an und die letzten Reste spült der Automatenkaffee ins Nirwana.

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