Aus orthopädischer Sicht bin ich eine Lusche. Ich hatte mir mal den kleinen Zeh gebrochen (ein Squash-Court ist klein und man ist sehr schnell von der einen in die andere Ecke gehechtet… und wenn man nicht rechtzeitig abbremst, kann es passieren, dass man voll in die Ecke latscht. Was nicht gut ist, vor allem nicht für das schwächste Glied eines Fußes: den kleinen Zeh. Wenn zuviel Energie im Spiel ist, kann es schon mal vorkommen, dass er mit der Gesamtsituation nicht klarkommt und bricht. So geschehen bei mir), aber da war der Gips null spektakulär und hat eigentlich auch nur einen halben Tag gehalten. Ob der Zeh jemals wieder korrekt zusammengewachsen ist, kann ich nicht mal sagen. Irgendwie sehen kleine Zehen immer aus, als wären sie gebrochen, schief, geschrumpelt und fehl am Platz. Ich rede mir ein, dass ich seitdem wetterfühlig bin und Wetterwechsel in eben jenem kleinen Zeh frühzeitig spüre, allerdings geht es dem Zeh wie den meisten Meteorologen: er irrt sich häufiger mal.
Die Sache mit dem gebrochenen Zeh ist schon ein paar Jährchen her (im Zeh gefühlte vierzehn Winter oder so) und seitdem war ich orthopädiefreie Zone. Bis vor kurzem. Da begab es sich, dass mein linkes Knie meinte, behandlungswürdig zu sein. Es äußerte dies durch Schmerzen und ein Anschwellen um mindestens das Doppelte – grob geschätzt. Die erste Woche habe ich dieses Herumgezicke noch ignoriert, aber tatsächlich war es gar nicht zu ignorieren. Treppensteigen war eine Qual, Sitzen auch, Aufstehen sowieso… eigentlich war alles nur unter Schmerzen möglich. Ich bin mitten in der Nacht mehrfach schreiend aufgewacht, weil ich mich umdrehen wollte, wie ich das immer mache, das Knie diese Aktion aber mit einer Schmerzattacke kommentierte. Half also alles nichts, also musste ich wohl oder übel zum Arzt.
Früher dachte ich, dass Orthopäden in dem ganzen Ärztekaleidoskop noch die harmlosesten seien, denn schließlich arbeiten sie mit Knochen, Mechanik und Hebelwirkung und all dem. Orthopäden schauen einem einfach nur an, drehen die Schulter mal nach vorne, mal nach hinten, murmeln irgendwas, dann gibts eine Salbe oder – bei gebrochenem kleinen Zeh – einen Gips und fertig. Keine Schläuche in Körperöffnungen, keine Schnitte ins zarte Fleisch und vor allem: keine Spritzen. Stimmt aber gar nicht! Der Kleine-Zeh-Orthopäde hat mir allen Ernstes Blutabgenommen! Mit einer Spritze! Wäre ich nicht einer Ohnmacht sehr nahe gewesen, hätte ich protestiert, stattdessen habe ich es einfach über mich ergehen lassen. Ich weiß bis heute nicht, warum der unbedingt mein Blut wollte. Vielleicht ein Vampir, der sich als Orthopäde tarnt. Hm. Wenn ich so zurück denke… ein bisschen blass war der schon. Hm. Aber egal. Ist ja wieder alles gut bei mir (was die Zehen betrifft) und ich kann weiterhin bei Sonne raus, ohne dass ich in Rauch aufgehe und in einem Sarg schlafe ich auch nur, wenn sich nichts besseres findet.
Diesmal war ich bei einem anderen Orthopäden. Der wollte nicht mein Blut, dafür viele Fotos von mir – hauptsächlich von meinem Knie. Als erstes gab es Ultraschallbilder und die gute Nachricht: mein Knie ist nicht schwanger. Dafür hatte es einen heftigen Bluterguss und deshalb: Röntgen. Andere Aufnahmemethode, gleiches Ergebnis: Bluterguss. Aber auf den ersten Blick keine Bruchstellen. Zur Sicherheit aber noch eine Fotosession: diesmal MRT (mein erstes Mal!). Und siehe da: ein Bluterguss. Dazu noch „Knochenprellungen“ und ein Riss, mindestens aber ein Anriss des Kreuzbandes. Meniskus und die restlichen Bänder ohne Befund. Zweite Premiere nach dem MRT: ein Bänderriss, oder wenigstens -anriss. Der Cheforthopäde (die MRT-Untersuchung war in einer anderen Praxis) meinte, es wäre wohl nur ein Anriss, aber trotzdem: weiterhin schonen (deshalb war ich weder bei der EM, noch bin ich aktuell bei der Tour de France dabei: der Arzt hat es verboten) und das Bein hochlegen. Ich versuche mich weitestgehend daran zu halten, hatte aber schon drei Fast-Unfälle, weil ich das Bein auf der Autobahn nicht schnell genug runter und auf die Bremse bekam. Da die Schmerzen aber auch immer mehr abnehmen, geht das mittlerweile doch recht zügig. Ansonsten trage ich einen Stützmanschette. Aus medizinischer Sicht „nicht nötig, aber schaden tuts auch nicht“ (Zitat Cheforthopäde) macht es dennoch Eindruck. Gestern wurde ich viermal darauf angesprochen und davon sogar zweimal bemitleidet. Läuft bei mir, bzw. eben nicht: deshalb Mitleid. Aber auch das wird immer weniger werden, denn das wird ja zusehends besser. Kaum noch Gehinke beim Laufen und das Gestöhne beim Aufstehen ist wieder fast auf dem Level wie vor dem Kreuzbandriss (oder -anriss). Als hat es sich also mit dem Jugendliche von den Behindertenplätzen im Bus verscheuchen, um sich selbst hinzusetzen und Gratis-Vitaminbonbons in der Apotheke sind dann auch passé. Es ist schon ein Kreuz mit der Gesundheit.