Als Kind wurde mir mal so eine bayrische Lederhose verpasst. Ich hasste sie, aber damals war es mit Jugendschutz noch nicht weit her: das Ding war da, sie passte leidlich, das Kind sah darin niedlich aus, also musste ich die Teile anziehen. Und wurde von allen Seiten und in allen möglichen Posen damit fotografiert. Ich hoffe mal, dass die Bilder nicht in irgendwelchen Boulevardmagazinen für katholische Priester gelandet sind. „Hostie“ (analog zur „Praline“) oder „Nachtmesse“ (statt „Gala“). Es kam aber nie zu Anfragen, insofern bin ich diesbezüglich guter Dinge und glaube, dass meine Eltern die Bilder einfach nur gemacht haben, damit sie mich später mal erpressen können, wenn es um die Ausstattung beim Heimplatz geht. Ich sehe mich schon das Sky Bundesliga-Paket bezahlen, ohne selbst nie ein Spiel zu sehen – denn ich habe nicht vor, diese Erpresserbande auch noch zu besuchen!
Nach diese Episode war lange Zeit Ruhe und es gab keinen Grund für eine neue Krachlederne. Tatsächlich gäbe es diesen auch heute noch nicht, aber irgendwie wurde es Sitte, dass man sich zur Zeit von Wiesn und Wasen auch außerhalb dieser durchaus krachledernlastigen Locations selbige überstreift, was aber nur funktioniert, wenn man welche besitzt. Aus genau diesem Grund bin ich vor einigen Jahren losgezogen, um nach all den abstinenten Jahren wieder eine Lederhose zu besorgen.
Nun wohne ich weit weg vom Wasen und noch viel weiter weg von der Wiesn, aber der Einzelhandel hat gemerkt, dass es auch in diesen Gefilden einen gewissen Bedarf gibt und somit wurde ich tatsächlich fündig und bin seither stolzer Besitzer einer Lederhose mit grüner Bestickung und Knöpfen und allem drum und dran. Die Pseudohosenträger habe ich seit zwei Jahren weg und nehme stattdessen einen Gürtel, aber ansonsten ist alles so, wie es sein soll – was nicht immer sinnvoll ist. Gerade diese vielen und nicht wirklich leichtgängigen Knöpfe. Man trägt diese Hosen ja üblicherweise zu Events, bei denen es Bier aus opulenten Gefäßen gibt und wer sich ein bisschen mit Volumenberechnung, Röhrensystem und den grundlegendsten Grundlagen der Physik auskennt, sollte erkennen, dass viel Input auch zu einem nennenswerten Output führt. Das ist Natur, das ist gut so, aber auch Knöpfe aus Hirschhorn sind Natur und wenn diese sich in einer Öse aus Hirschleder befinden, die Finger aufgrund des vorher genannten Inputs nicht mehr unbedingt zu einer filigranen Operation am Hypothalamus – geschweige denn zum schnellen Öffnen der Knöpfe fähig sind, kann das schon mal zu Szenen führen, die an einige aus Hitchcock-Filmen erinnern. Vielleicht jetzt nicht die bei Psycho unter der laufenden Dusche – das macht alles nur noch schlimmer – aber die Problematik an für sich dürfte klar sein. Bisher ging auch alles glatt. Also bei mir. Für andere kann und will ich da nicht sprechen.
Die richtig guten Krachledernen kosten übrigens Unsummen (meine ist wahrscheinlich gar kein Hirschleder. Eher Kuh. Oder Meerschweinchen. Irgendwas günstigeres) und werden über Generation hinweg vererbt. Oder verkauft. Deshalb gibt es z.B. in München auch Läden, in denen man das edle Textil auch Second Hand kaufen kann. Wobei „Hands“ da eher selten eine Rolle spielen aber „Second Penis“ ist als Shop-Name wahrscheinlich nicht verkaufsfördernd.
Die Problematik der Knöpfe habe ich beschrieben und ehrlich: ich hab das ganz gut im Griff. Es gibt aber auch weitaus ungeschicktere Männer als mich und ob ich deren Hose neu auftragen will… ich weiß ja nicht. So eine Hose kann man nicht einfach mal in die Waschmaschine werfen und bei 590 Grad 29 Stunden durchwaschen… Man bekommt also eine Hose, bei denen die Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großenkel des Hirsches gerade erst gezeugt werden, eine Hose, die auf viele Jahrgänge an verschüttetem Wiesnbier gesetzt und vor allem vielen Jahrgängen an getrunkenem Wiesnbier ausgesetzt war. Meistens, aber rein statistisch gesehen auch nicht immer erfolgreich. Dazu muss man wissen, dass es auf der Wiesn nicht nur Bier, sondern auch Hendl, Radi, Wurstsalat, Obatza und andere kulinarische Köstlichkeiten gibt und wenn man sich dann noch mal vor Augen führt, wie komplex sich das Öffnen der Hirschhornknöpfe vom Hirschleder gestalten kann und das in Situationen, in denen eine gewisse Dringlichkeit herrscht…
Es ist einfach so: wenn da eine Hose aus feinstem Albino-Hirschleder angeboten wird, dann sollte die aussehen, wie die Zähne der Zahnarztfrau aus der Zahnbürstenwerbung und sich farblich eindeutig von den anderen angebotenen Hosen unterscheiden… wenn dem nicht so ist, würde ich vielleicht den Laden komplett wechseln. Einfach nur aus Gründen.