Elternabend. Die Rache der Lehrer an den Leuten, die diese Monster erschaffen haben, mit denen sie sich das ganze Jahr rumärgern müssen. Manche der Anwesenden trifft es dann zu unrecht, aber vermeintliche Väter wissen ja auch nicht immer alles. Wäre ich einer dieser „Väter“, würde ich auch Schadensersatz wegen seelischer Grausamkeit in Millionenhöhe klagen, für die Stunden, die ich ungerechtfertigterweise bei Elternabenden zugebracht habe. Naja, mein Nachwuchs sieht sensationell gut aus und ist überaus charmant… den kann ich nicht leugnen – das ist definitiv meiner.
In so einem Elternabend sitzen üblicherweise zu 90 Prozent Eltern (oder eben besagte „Väter“), die ein schlechtes Gewissen hätten, wenn sie da nicht säßen. Und die wissen, dass diejenigen, die da waren über sie lästern würden, wären sie nicht da: „Keinerlei Interesse am Leben Ihres Kindes!“ „Rabeneltern“ „Ich hätte auch besseres zu tun, aber ICH bin hier“ „Vielleicht hat er rausgefunden, dass er nicht der Vater ist, aber trotzdem…“… somit ist man als Anwesender Teil der Lästernden. Man könnte Mitleid mit denen haben, die krankheitsbedingt nicht am Elternabend teilnehmen können, aber es gibt ja noch andere Tage für eine Erkältung, eine Grippe oder einen Schlaganfall. Selber schuld.
Die restlichen 10 Prozent der Eltern tragen übrigens dazu bei, dass ein Elternabend den Spaßfaktor einer Schachweltmeisterschaft hat. Da werden Fragen zu Themen gestellt, von denen ich vorher noch nie was gehört habe. Liegen die Lehrpläne irgendwo öffentlich, aber an einem schwer zugänglichen Ort aus und die haben sie da mit Macheten und unter schwersten Bedingungen durchgekämpft, um nun dieses gewisse Insiderwissen zu haben, das sie zu Fragen wie: „Bei den viereinhalb Stunden Prüfungszeit… ist das inklusive Vesperpause? Kevin-Jerome ist nämlich nur frischen Zupfsalat mit veganem Dressing und da blieben ihm nach der Zubereitung ja nur noch drei Minuten zum Essen und er darf nicht so schlingen, weil sonst wieder nachts der Pupsmann kommt und das ist ihm dann unangenehm…“ bewegt? Ich komme mir jedesmal wie der schlimmste Vater aller Zeiten vor, aber wahrscheinlich nicken meine Mitstreiter, also die anderen 90 Prozent, einfach nur, um zu signalisieren, dass sie genauestens wissen, worum es gerade geht – und das bei völliger Planlosigkeit. Ich schaue immer betreten auf das Notizbuch vor mir und tue so, als würde ich das alles mitschreiben. Mit den Zeichnungen, die in der Zeit entstanden, könnte man den Louvre vollkleistern.
Die Lehrer müssen dann noch was zur Klasse an sich sagen… tja… was sollen sie da sagen. Mal angenommen, man ist Tierpfleger und hat so ein richtiges Arschlochlöwenkind. Das ist schon doof. Weiter angenommen, es sind mehrere Arschlochlöwenkinder. Noch doofer. Nun ist ein Treffen, bei dem die Eltern dieser ganzen Arschlochlöwenkinder versammelt sind und der Tierpfleger spricht zu ihnen. Der Tierpfleger ist zufällig Dr. Dolittle und es ist kein Zaun zwischen Löweneltern und dem Tierpfleger, der mit Tieren sprechen kann… ich gehe mal davon aus, dass der Tierpfleger die Arschlochlöwenkinder auch nicht als verhaltensauffällig und Psychos bezeichnen würde, sondern es mit „wilder Meute“, „aufgeweckten Tierchen“ und „arbeitsintensiven Individuen“ umschreiben würde. Wie immer das in Löwensprache klänge. Ich erinnere mich an „aufgeweckte Klasse“ an einem der letzten Elternabende. Andererseits kann der Lehrer ja auch nicht vor die Eltern treten und Dinge loslassen wie:
Liebe Eltern,
tun sie mir einen Gefallen: machen sie das nicht mehr. Also dieses Sexdingens. Das ist echt schief gegangen. Ich weiß, ein paar von ihnen hatten das vorher schon mal und die Kinder waren ok, aber diesmal. Puh. Das muss nicht nochmal sein. Passen die da bitte auf und sparen sie nicht am falschen Ende. Zwei Kondome verschiedener Marken zum Beispiel. Fühlt sich vielleicht etwas komisch an, aber es gibt immer mal wieder Fehler in der Produktion und je sicherer je besser. Oder warum nicht Abstinenz? Wenn man so in die Runde schaut, sollte das doch nicht so schwer sein. Aber egal wie: bitte nicht nochmal so eine Klasse!
…
Sowas kommt nie, also kann es ja auch nicht so schlimm sein. Oder Dr. Dolittle hat erkannt, dass es auch schon gefährlich ist, wenn nur 10 Prozent der Anwesenden blutrünstige Killerlöwen sind, weil die anderen 90 Prozent der Löwen nur nickend daneben sitzen würden, wenn es zur Sache ginge.