Beim Rumzappen auf Arte gelandet. War ein Versehen, aber das hat man davon, wenn man die Sender alphabetisch sortiert und Beate Uhse TV nun mal mit B anfängt. Wunderte mich schon, wieso die alle soviel anhatten und fragte mich, wie lange es noch dauert, bis die die Kinder rausschicken, damit es endlich losgehen kann. Nach zehn Minuten merkte ich, dass es eine Doku über Kinder im Himalaya und deren beschwerlichem Schulweg ist. Klingt weder im ersten, noch im zweiten Moment so spannend, wie das, was mir vorschwebte, aber ich blieb dran. Da war in den ersten zehn Minuten schon mehr Handlung als in kompletten Filmen auf dem anderen Kanal – und die Kids waren noch nicht mal losmarschiert.
Redaktionssitzungen bei Arte stelle ich mir auch interessant vor. Man sieht, was bei den anderen Sendern richtig gut läuft, aber kann das natürlich nicht nachmachen, weil man sich ja Niveau und Kultur und ähnlichem verschrieben hat. Deshalb sitzen in diesen Redaktionskonferenzen auch kluge Leute mit Doktortitel, Ästheten und der duschgeknallte Quotenkünstler und nicht wie bei RTL II ein paar Luden, die ihre Miezen zwecks kostenloser Werbung auf Hausboote einschließen oder Sozialarbeiter, die sich war mit den ungewollten Schwangerschaften ihres minderjährigen Klientels ein bisschen was dazu verdienen wollen. Natürlich kann man keine Teeniegirls in Leggins beim Abstillen von „Kevin“ oder „Justin“ als Serie bei Arte zeigen, deshalb gibt es dort die Kinder auf ihrem beschwerlichen Weg in die Schule. Bei Grndgnang (oder so ähnlich), dem kleinen Jungen aus der heutigen Episode war das ein Vier-Tages-Marsch über einen vereisten Fluss, bei dem jederzeit die Gefahr bestand, dass man einbricht und von den kalten Fluten unter das Eis gezogen wird. Grndgnang trug bei diesem Marsch neben viel Gepäck und einer Jacke, die verdächtig nach einer Jacke aussieht, die ein Bekannter mal hatte, dann aber bei einer Kleidersammlung abgab (da war – so meine ich – sogar noch ein Sticker „Sölden-Suff 2007 – Ich war dabei!“ zu erkennen) Gummistiefel. Man erwartet im Himalaya ja viel: Messner, Schnee, Yak-Scheiße, Yetis… aber Gummistiefel? Da kommen Touristen in High-End-Gore-Tex-Megalomaniac-Superwanderschuhen mit Profilen aus den Reifen von Formel1-Wagen und Grndgnang läuft in Gummistiefeln vier Tage lang zur Schule. Und begleitet wurde er dabei nur von seinem Vater.
Als ich das sah, habe ich gleich den Junior gerufen, der ja schon jammert, wenn es draußen nieselt und er auf den Bus warten muss.
„Sieh Dir das an!“, sagte ich zu ihm. „Das ist Grndgnang“.
Der Junior meinte: „Gesundheit“.
„So heißt der Junge! Das ist Grndgnang und er ist auf dem Weg zur Schule. Der Weg ist gefährlich und führt ihn über einen vereisten Fluss. Er muss auch noch Proviant mitschleppen, denn es dauert mindestens vier Tage, bis er sein Ziel erreicht.“
„Aha“, meinte der Junior.
Ja, aha“, sagte ich. „Aber Grndgnang jammert nicht. Auch nicht wenn es nieselt. Begleitet wird er auf diesem anstrengenden Weg nur von seinem Vater“.
Eine kurze, theatralische Pause.
„Und was lernen wir daraus, mein Sohn?“
Der Junior denkt nach, weiß aber nicht so recht, was man daraus lernen könnte. Ich will nicht gemein sein und ihn auf die Folter spannen, denn ich bin ein guter Vater, also gebe ich ihm die Auflösung frei Haus:
„Die Kinder im Himalaya haben die besseren Väter: bei dem Scheißwetter würden mich keine tausend Yaks auf einen zugefroren Fluss bringen und schon gar nicht vier Tage lang. Bzw. acht, denn anders als der feine Herr müsste ich ja zurück und könnte nicht die nächsten Woche in der kuscheligen Schule vor mich hingammeln!“
Erziehung ist so wichtig…