Früher war das mit dem Müll ja einfach. Es gab eine Mülltonne und da kam der Müll rein. Fertig. Auf der Tonne stand “OTTO” und weil in meiner Kindheit der Komiker gleichen Namens auch schon populär war, wunderte ich mich, dass die Tonne nach ihm benannt wurde. Als ich dann noch den “OTTO”-Katalog bei meiner Oma im Schrank entdeckte, war die Verwirrung komplett. Diese Verwirrung ob des Kataloges blieb viele Jahre, hatte aber immer wieder neue Ursachen. Zu Anfang war es der Name und wieso eine Mülltonne und der Kerl auf dem Cover der Schallplatte bei meinem Onkel genauso hießen. Später waren es die Unmengen an Spielzeug, die es in diesem Katalog gab. Unglaublich! Elektromotorräder, Tischkicker, Mikroskope, Kosmos-Baukästen, und und und. Hach, herrlich. Es zogen noch ein paar Jahre ins Land und es kam, dass ich mich wunderte, warum die Damen mit den blonden Perücken so verzückt dreinschauten, während sie sich so einen seltsamen Stab an die Wange hielten. Dem Namen des Produkts nach wurde die Wange dabei massiert und weil das anscheinend so toll war, wollte ich auch so ein Ding. Bekam ich aber nie.
Noch ein paar Jahre später entdeckte ich nach dem Hinweis eines Klassenkameraden die Welt der Damenmode und hier im speziellen die Abteilung Unterwäsche. Der Klassenkamerad hatte einen ähnlich verzückten Blick wie die Dame mit der blonden Perücke und dem Stab an der Wange als er mir von dieser Rubrik im Otto-Katalog erzählte. Ich war wie ein schlecht eingestelltes Auto und demzufolge ein Spätzünder, aber irgendwann war auch mir klar, woher die Faszination kam. Das Interesse bei der Lektüre des Katalogs wechselte also von den Motorradmodellen mit Vollverkleidung zu weniger Bekleidetem – ein Interesse, das sich bis heute nie so wirklich gelegt hat.
Ich bezweifle allerdings, dass dieses aufwallende Interesse nur am “OTTO”-Katalog lag. Den gibt es ja nicht mehr und somit sollte die heutige Jugend ja völlig unbehelligt von solchen Themen aufwachsen. Dem scheint aber nicht so zu sein: auch heute sind die Kids ähnlich interessiert wie wir damals. Und sie haben – Internet sei Dank – viel mehr Möglichkeiten – die Eltern dafür viel weniger Möglichkeiten, das Ganze zu unterbinden. Früher fehlten halt mal plötzlich gewisse Seiten im Katalog – oder gleich das ganze Machwerk. Das sorgte kurz für Verwirrung, aber dann ging man eben wieder raus auf den Bolzplatz und powerte sich dort aus (später stellte sich heraus, dass die Energie sowohl für Bolzplatz plus alles andere reichte). Gewisse Seiten beim Internet „rauszuschneiden“ geht nicht so wirklich (auch wenn die Truppen-Uschi von der Leyen das mal machen wollte, aber das ging da schon nicht) und das Internet komplett entsorgen wie dereinst den “OTTO”-Katalog ist noch schwieriger (hat die Truppen-Uschi bestimmt auch drüber nachgedacht). Die Eltern haben es heutzutage also nicht einfach, aber da kann man nichts machen. Da müssen wir durch. Ist ja auch nicht so tragisch: die modernen Router haben ja einen internen Cache und somit werden die Seiten gespeichert und müssen nicht jedesmal neu geladen werden – egal, von wie vielen Rechnern sie im gleichen Netzwerk aufgerufen werden.
Mittlerweile haben wir übrigens drei Tonnen und auf allen steht, soweit ich weiß, “OTTO”. Sie sind unterschiedlich groß und haben verschiedene Farben. Das war bei der einzelnen Mülltonne, dem Komiker und dem Katalog damals aber ähnlich, insofern ändert sich im Vergleich zu den ganzen “OTTO”s von früher nicht viel.