Vor vielen Jahren war dieser beschauliche Ort eine Hochburg der Pizzaszene. Zeitweise hatten wir drei Pizzerien in einer Straße. Irgendwann flaute das Ganze ab und der Hype um die italienische Teigwaren war dahin. Außerdem gab es mehr und mehr pakistanische Italiener, die in ihren hygienisch grenzwertigen Lokalitäten neben Burgern (amerikanisch), Tortillas (mexikanisch), Hühnchen Bombay (indisch), Nasi Goreng (chinesisch) auch Pasta und Pizza (italienisch) zum Verzehr anboten und auch noch frei Haus lieferten (ab 20 Euro eine 2-Liter-Flasche Rostentferner aka Lambrusco kostenlos). Immerhin hielten sich noch zwei der alteingesessenen Pizzerien einigermaßen über Wasser (San Pellegrino, nehme ich an). Die Wirtin in dem einen Laden schaute immer wie die Korsen bei Asterix in Korsika, so als hätte man sie irgendwann mal schwer beleidigt, so schwer, dass sie das bis ans Ende ihrer Tage nie mehr vergessen könnte und um einem klarzumachen, wie tief diese Beleidigung sitzt, wie tief dieser giftige Stachel sich in sie gebohrt hat, bestrafte sie einem mit diesem korsischen “Du hast mich beleidigt”-Blick. Was für eine Beleidigung das auch immer gewesen sein könnte: sie bezog sich sicher nicht auf die Pizzen, denn die waren äußerst lecker. Das wären sie heute bestimmt immer noch, hätte es da nicht einen bösen Streit zwischen Vater und Sohn gegeben – mit einem für hiesige Verhältnisse dramatischen Finale: der Sohn erschlug den Vater und zündete ihn anschließend auch noch an. Somit war die Küche verwaist, da Senior-Koch tot und Junior-Koch im Knast. Eine Küche ohne Köche ist aber wie ein Kondomautomat im Vatikan: ziemlich nutzlos. Außerdem war die italienisch-korsische Witwe natürlich geschockt ob der Ereignisse und nicht gewillt den Laden weiter zu führen. Mittlerweile ist in den Räumlichkeiten eine 24-Std-DVD-Ausleihstation. Grundsätzlich super, nur leider wenig lecker. Bei manchen DVDs sogar eher geschmacklos.
Somit haben wir also von ehemals drei Pizzerien in dieser Straße nur noch eine. Die war all die Jahre auch nicht die schlechteste und man konnte da guten Gewissens jemanden hinschicken oder auch selber mal hingehen. Das Konzept “Lieferservice” hat man dort zwar auch irgendwann übernommen, aber mit 40 Minuten Lieferzeit im Optimalfall für die paar Meter anscheinend nie verinnerlicht. In 40 Minuten verköstigen die pakistanischen Italiener sämtliche Fußballmannschaften im Umkreis von zehn Kilometer. Aber egal, die Pizzen sind immer noch ziemlich gut.
Gestern habe ich dort etwas bestellt: zwei nicht sonderlich komplizierte Pizzen, ein gemischter Salat, keine Sonderwünsche. Bei der telefonischen Bestellannahme kein pakistanischer Akzent (Esra ksese? Mit schaf?) und alles kam richtig an. Alles fertig in 30 Minuten hieß es (insofern kommt es mit 40 Minuten Lieferzeit eigentlich auch hin. Müssen die Fußballmannschaften eben weiterhin bei den anderen bestellen) und somit war ich 30 Minuten später vor Ort. Leider auch diverse Gäste eines hier stattfindenden Trike-Treffens plus ein paar anderen Gästen. Das Restaurant war zu 70 Prozent belegt, würde ich mal sagen. Trotzdem hatte die Herrin des Hauses, die eine andere ist, als ich in Erinnerung habe, wie sie sagte “Stress bis zum Abwinken” und somit war auch meine Bestellung weder fertig noch überhaupt in der Mache. Nicht schön, aber auch kein Beinbruch (wurde aber geistig dennoch notiert für weitere anstehende Geschäftsverbindungen. Wenn sich solche Aktionen häufen, haben die pakistanischen Italiener bald mehr zu tun). Man steht dann eben rum, wartet und hat Zeit sich mal umzuschauen. Selbstgemachtes Eis gibt es dort anscheinend nicht mehr. Dafür viel Chaos hinter der Theke mit leeren Flaschenkartons, herumstehenden Flaschen, diversem Krimskrams und Spinnweben an den Ziegeln, des mediterran wirkend sollenden Ambiente. Wen man das so sieht, überlegt man sich zweimal, ob man eine Pizza Funghi bestellt, weil man sich nicht sicher sein kann, ob da nicht eine Margherita einfach nur einmal über die Theke gezogen und quer durch den Raum gewedelt wird.
Deshalb: Kommen Sie mal vorbei, Herr Rach! Schauen Sie sich um, trauen Sie sich in die Küche und helfen Sie! Aber bloß kein Streit vom Zaun brechen: da leben Pizzabäcker hier am Ort nicht mehr lange und wenn der Laden auch noch zumacht, haben die pakistanischen Italiener das Monopol. Die Preise werden in exorbitante Höhen klettern; genau wie die Lieferzeiten. Das wollen wir natürlich auch nicht.