In Florida sind wir mal an einem überfahrenen Gürteltier vorbeigekommen. Ich fand das irgendwie passend: das Tier hatte ja schon so eine Reifenmarkierung auf dem Rücken, wie wenn nicht unter den Pneus eines der in Florida allgegenwärtigen Pick-Ups hätte es sonst abdanken sollen. Wobei… wenn man so argumentiert, stürben Schweine im Idealfall per Stromschlag an einer Steckdose, Eichhörnchen würden von Staubwedeln erschlagen und das finale Hecheln des gemeinen Dackels käme auf der Streckbank. Windhunde erlägen den Folgen ihrer Magersucht, Möpse (die Wuff-Wuff-Variante) sähen eh aus, als hätten sie extremen Sauerstoffmangel (und oft klingen sie auch so) – so ähnlich wie Schwarzenegger ziemlich am Schluss von Total Recall auf dem Mars – was auch letztlich auf der Sterbeurkunde stände.
Deshalb sollte man nie vom Äußeren eines Tieres auf seine spätere Todesursache schließen. Ein Nachbar hatte zum Beispiel mal einen Hahn. Einen sehr lauten Hahn, dem die Uhrzeit auch total egal war: er krähte wann es ihm passte. Seine Mädels fanden das anscheinend gut, was er wiederum toll fand. Also krähte er noch mehr. Gerne auch mal um 3 Uhr morgens und auf Böhse-Onkelz-am-Hockenheimring-Level. So ein Hahn will halt zeigen, was ihn im steckt. Auch akkustisch.
Es war ein prächtiges, wunderschönes Tier mit vollem, buntem Federnkleid. Mit herausgestreckter Brust und stolzgeschwelltem Kamm war er der Adonis unter den Hähnen im Stall (er war der Einzige. Das machte es einfacher) und seine Hühner gackerten. Und er krähte.
Nun würde man ja erwarten, dass so ein magisches Tier in einem Meer von bunter Farbe ertrinkt, von einem Regenbogen erschlagen oder von einem Einhorn zu Tode getrampelt wird, aber nein: der Hahn lag eines Morgens einfach nur tot im Stall – den Kopf unnatürlich verdreht. Erste Spekulationen gingen in Richtung Selbstmord durch Aufhängen, aber ein Seil wurde nie entdeckt. Eine Zeitlang wurde nach einem Mörder gefahndet, da alle Augenzeugen sich auf den gleichen Namen festgelegt hatten, aber selbst ein Aufruf in den lokalen Medien nach jemandem mit dem Namen „Gack“ oder auch “Gackgackgack” blieb erfolglos. Die Hühner schienen einem kollektiven Irrtum anheim gefallen zu sein.
Wahrscheinlich war es ein tragischer Unfall. Ein Sturz von der Stange plus ein unglücklicher Aufprall auf dem durch die ganzen Hinterlassenschaften doch etwas gedämpftem, aber dennoch harten Stallboden oder – man erinnere sich an Michael Hutchence – ein aus der Bahn geratenes Sexspielchen. Wer weiß das schon.
Wir Nachbarn waren natürlich auch alle bestürzt und sehr traurig ob dieses Unglücks, allerdings schliefen wir ab diesem Moment auch viel besser.
Manchmal, so kurz vorm Einschlafen, wandert mein Blick zu der Strickjacke in der Ecke, an der noch immer eine kleine, bunte Feder hängt und höre wie von ganz fern ein lautes Krähen …und schlafe dann selig ein.